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Thommie Bayer: Fallers große Liebe

„Nehmen Sie auch eine ganze Bibliothek?" – „Wenn ich sie mir leisten kann, ja." „Do you take the whole library?" – „If I can afford it, yes." Alexander Storz is the hero of a new novel by the German writer Thommie Bayer. A kind of literary roadmovie. Alexander, who is fed up with selling used books, travels through Germany in a Jaguar owned by a tough businessmen who is looking for his youth lost long ago in the 60s. They hate each other ...
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By Holger Epp


Eigentlich ist Alexander Storz gar kein richtiger Antiquar, das gibt er gleich zu. Seinen „Gebrauchtbuchladen“ hat er von einem Gomera-Aussteiger übernommen und auch die beiden Wühlkisten vor der Tür tun sich schwer, Kunden anzulocken. Sein Tagesgeschäft macht Alexander mit Rezensionsexemplaren und wenn an einem Tag trotzdem die Kunden ausbleiben, zerbricht er sich schon mal den Kopf, wie er nur mit Amazon konkurrieren könnte.

Zieht er wirklich was Größeres an Land – „signierte Erstausgaben von Doderer, Musil, Brecht und einige wirklich alte Bücher aus dem achtzehnten Jahrhundert“ –, dann schiebt er es einem „echten Antiquar“ rüber und kassiert die Provision. „Fast wie ein Waffen- oder Drogendeal.“ Glücklich ist Alexander nicht, aber zum Aufbegehren zu weich. Irgendwie führt er das typische Leben eines jüngeren, aber nicht mehr jugendlichen Mannes des 21. Jahrhunderts: mutlos, beziehungslos, perspektivlos.

Das erfährt eine unerwartete Wende, als ein Geschäftsmann ihm den Verkauf seiner Sammlerbibliothek vorschlägt und den Antiquar nach der Besichtigung prompt auf eine Reise einlädt: als Chauffeur für eine Fahrt durch Deutschland (Geschäftsmann Faller hat seinen Lappen versoffen), Zweck und Ziel der Reise werden geheim gehalten, dafür gibt es einen Tausender pro Woche bar auf die Hand. Am nächsten Morgen sitzen die beiden im Wagen und los geht es: Göttingen, Münster, Marburg ... Auf der Autobahn und beim abendlichen Wein erarbeiten die beiden bei Gesprächen über Literatur, Lebensentwürfe und Liebe eine reibungsreiche Annäherung, etwas zwischen Duell und aufkeimender Männerfreundschaft, zwischen Rätselspiel und Selbstentlarvung. Der junge Antiquar entdeckt in Faller eine charismatische Vaterfigur und ist doch zugleich abgestoßen von dem ehemaligen 68er, der schneller als alle damaligen WG-Mitbewohner die Lebenslüge seiner Generation gegen die Selbstsicherheit eines Erfolgsmenschen und Immobilienhais eingetauscht hat. Und darf Alexander – ein Bio-Kind der streng ökologischen Achtzigerjahre – es wirklich gut finden, im Jaguar über die Piste zu rasen oder ist das schon ein moralisches Verbrechen?

Zugegeben, das Buch hat Schwächen: Manches ist vorhersehbar und es hängt – besonders in den gewichtigen kurzen Sätzen – ein bisschen zu viel Schwermut und mitleidsvolle Eigenanalyse zwischen den Zeilen. Aber am Ende erwischt einen das Buch doch.

Thommie Bayer: Fallers große Liebe. Roman. München, Piper, 2010. 199 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag

The article is published on the website of the German Antiquarian Booksellers' Association (Verband Deutscher Antiquare, VDA), and is presented here by permission of the author.