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Verband Deutscher Antiquare e.V. Antiquariat Meinhard Knigge

Provenances - „Provenienzen“: 42th Seminar held by the German Antiquarian Booksellers’ Association in Cologne in May 2012

From 17th to 20th May, 2012, members of the German Antiquarian Booksellers' Association met in Cologne for their 42th annual seminar. In a series of lectures the problem of provenances and the restitution of looted art and books was discussed with librarians, lawyers and specialists. The history of fate of famous collections were reconstructed, such as the libraries of Victor Manheimer and Elise and Helene Richter. Other lectures centred around the history of typography, the making of artists' books, and the identification of the age and the provenances of books through the paper on which of they were printed. Highlights of the weekend were excursions to some famous libraries situation in Cologne: the Dom- und Diözesanbibliothek with its numerous treasures of medieval manuscripts, Ungers-Archiv für Architekturwissenschaften and the Petrarca and Proust collections of Professor Dr. Reiner Speck. Read the report (in German) by Meinhard Knigge.
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From 17th to 20th May, 2012, members of the German Antiquarian Booksellers’ Association met in Cologne for their 42th annual seminar. In a series of lectures the problem of provenances and the restitution of looted art and books was discussed with librarians, lawyers and specialists. The history of fate of famous collections were reconstructed, such as the libraries of Victor Manheimer and Elise and Helene Richter. Other lectures centred around the history of typography, the making of artists’ books, and the identification of the age and the provenances of books through the paper on which of they were printed. Highlights of the weekend were excursions to some famous libraries situation in Cologne: the Dom- und Diözesanbibliothek with its numerous treasures of medieval manuscripts, Ungers-Archiv für Architekturwissenschaften and the Petrarca and Proust collections of Professor Dr. Reiner Speck.


Ein Rückblick von Meinhard Knigge


In den letzten Jahren waren Stimmen zu hören, das Seminar für Antiquare habe sich überlebt. Hohe Kosten für ein verlängertes Wochende, ein durch Auktionen und Messen stark beanspruchter Termin Ende Mai sowie eine – scheinbar – beliebige Auswahl der Themen samt einer – vermeintlichen – Theorielastigkeit seien dafür verantwortlich. Tatsächlich?

München war und ist als Seminarstandort noch immer nicht ausgereizt. Seminare in Wien, Hamburg, Berlin und 2012 in Köln sorgen für Abwechslung und Themenvielfalt. Der angeblichen Praxisferne weiß der Fortbildungsausschuss um Regina Kurz, Eberhard Köstler und Herbert Schauer durch praxisbezogene Vorträge entgegenzuwirken. Man denke nur an Winfried Mückas und Axel Voigts Lektionen „Vom praktischen Umgang mit Bilddateien“ (2011) oder Christian Solmeckes Ausführungen über „Rechtliche Rahmenbedinugngen im Antiquariatshandel“ (2009). Darüber hinaus wird der für alle Seminarteilnehmer sehr effektive „informelle“ Anteil am Seminar von dessen Kritikern stark unterschätzt. Das „Networking“ war schon immer eine der wichtigsten Geschäftsgrundlagen des Antiquars, der ohne kollegiale und freundschaftliche Beziehungen von seinen wichtigsten Quellen abgeschnitten ist. Diese gesellige Geschäftsgrundlage fand 2012 ihren Höhpunkt beim Empfang im Antiquariat von Roman Heuberger, mit großzügigem Weinausschank des Gastgebers.

„Provenienzen und Provenienzforschung“ lautete der Schwerpunkt des Seminars, das von Karl-Heinz Knupfer im Haus Venator & Hanstein hervorragend und souverän organisiert wurde. Gleich am Donnerstag gab Karl-Sax Feddersen, Justiziar der Firma Lempertz, eine Einführung in die Geschichte der Konfiszierungen während der Jahre 1933 bis 1945 und referierte ausführlich über die Bestrebungen der Siegermächte sowie später der bundesrepublikanischen Politik, die verfolgungbedingte Aneignungen der Nazi-Zeit rückgängig zu machen. Vor allem ging es in der Nachkriegszeit um die Frage, an wen restituiert werden sollte, da viele Opfer nicht nur enteignet, bestohlen, sondern auch ermordet worden waren. Die US-Regierung entschied sich für eine Restitution an jüdische Nachfolge- bzw. Opferorgnisationen, dem sich die Bundesrepublik mit dem Bundesentschädigungsgesetz von 1956 anschloss. Als letzte Frist wurde damals der 31. Dezember 1969 festgelegt. Danach galt die Diskussion zunächst als abgeschlossen, bis sie im Lauf der letzten beiden Jahrzehnte wieder aufflammte. Durch den Einsatz neuer technischer Möglichkeiten im Internet wurden die Such- und Findemöglichkeiten wesentlich verbessert. Es kam zu internationalen Vereinbarungen, deren wichtigste für den Antiquariatsbuchhandel die „Gemeinsame Erklärung“ der Bundesregierung, Länder und kommunalen Spitzenverbände „zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes insbesondere aus jüdischem Besitz“ aus dem Jahr 1999 ist. Darin wird den Trägern der „öffentlichen Hand“ empfohlen darauf hinzuwirken,

„dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Diese Prüfung schließt den Abgleich mit bereits erfolgten materiellen Wiedergutmachungsleistungen ein. Ein derartiges Verfahren ermöglicht es, die wahren Berechtigten festzustellen und dabei Doppelentschädigungen... zu vermeiden... Den jeweiligen Einrichtungen wird empfohlen, mit zweifelsfrei legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben über Umfang sowie Art und Weise einer Rückgabe oder anderweitige materielle Wiedergutmachung (z.B. gegebenenfalls in Verbindung mit Dauerleihgaben, finanziellem oder materiellem Wertausgleich) zu verhandeln, soweit diese nicht bereits anderweitig geregelt sind.“

„Privatrechtlich organisierte Einrichtungen und Privatpersonen“ werden aufgefordert, „sich den niedergelegten Grundsätzen und Verfahrensweisen gleichfalls anzuschließen.“ Weitere Einzelheiten finden sich unter www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/Index.html

Der zweite Vortrag des Nachmittages, gehalten von Frau Christiane Hoffrath, Bibliothekarin an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, stellte das Schicksal der Bibliothek der Schwestern Elise Richter (1865-1943; Professorin für Romanistik in Wien) und Helene Richter (1861-1942; Anglistin und Theaterwissenschaftlerin) vor. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 wurden sie in wenigen Jahren zum Notverkauf ihrer Bibliothek gezwungen, die zum Teil in die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB), zum Teil aber auch in die USB Köln gelangte. Da beide Schwestern in Theresienstadt ums Leben und keine Erben zu finden sind, versucht die USB Köln nun in aufwendigen Recherchen als „Wiedergutmachung“ zumindest die Bibliothek virtuell wieder herzustellen, um damit das Andenken an die Schwestern Richter lebendig zu erhalten (http://richterbibliothek.ub.uni-koeln.de)

Den dritten Vortrag zur Provenienzforschung lieferte der Doktorand Sebastian Kötz, der über den Germanisten Victor Manheimer (1877-1842) referierte. Vielen Antiquaren ist Manheimer durch seine großen Sammlungskataloge bekannt: „Von Gottsched bis Hauptmann“ (1924) und „Deutsche Barockliteratur“, bearbeitet von Karl Wolfskehl (1927). Weitere Bestände, die den Anlass für Kötz’ Dissertation lieferten, stehen in der Bibliothek des Instituts für Deutsche Sprache in Köln. Sie waren 1931 von Friedrich von der Leyen angekauft worden. Es war spannend zu hören wie Kötz Manheimers Biographie, die bislang mehr oder weniger im Dunkeln gelegen hatte, Jahr um Jahr entwickelte.

Sammler und Sammlungen bilden seit jeher einen wichtigen Schwerpunkt des Seminars. 2012 hinterließ die Architekturbibliothek des Eiermann-Schülers Oswald Mathias Ungers (1926-2007) tiefen Eindruck. In seinem ersten eigenen Wohnhaus, erbaut 1958, liegt der umfangreiche Nachlass, zu dem eine formidable Archikturbibliothek gehört. Für sie schuf Ungers Ende der 1980er Jahre einen Bibliotheksanbau, den und dessen Schätze die Seminarteilnehmer ausgiebig besichtigen durften. Schwerpunkte der Sammlung sind Architekturgeschichte (Antike, Renaissance, Klassik, Schinkel, Bauhaus) sowie die Entwicklung der Perspektive seit der Renaissance. Der Bogen reicht von einer seltenen Ausgabe der „Perspectiva“ des Jean Pelerin (1521) über eine komplette, außergewöhnlich kräftig gedruckte, 24 Bände umfassende Ausgabe der Werke Piranesis bis hin zu Le Corbusiers „Une petit maison“, zu dem Ungers auch das Originalmanuskript erwerben konnte. Haus, Archiv und Bibliothek wird als Stiftung fortgeführt (www.ungersarchiv.de).

War der Bibliotheksbau des Ungers-Archivs schon sehr auf seine architektonischen Grundelemente reduziert, so wurde diese Reduktion bei Ungers zweitem Wohnhaus, dem „Haus ohne Eigenschaften“, oder wie der jetzige Hausherr, Professor Dr. Reiner Speck, in seiner Einführung sagte, die „Casa senza qualitá“, noch auf die Spitze getrieben. Als Wohnhaus erschien es allen Teilnehmern nicht sehr freundlich, als Bibliotheksbau, der seit 2011 die „Dr. Speck Literaturstifung“ mit ihren beiden Bestandteilen „Biblioteca Petrarchesca“ und „Bibliotheca Proustiana“ beherbergt, fand das Gebäude seine eigentliche Erfüllung. In der auf das archiketonisch Wesentliche zurückgeführten Form kommen dank wohlüberlegter Regal- und Ausstellungseinrichtung, die zum Teil noch von Ungers stammen, die beiden großartigen Sammlungen unvergleichlich gut zur Geltung. Der Besucher kann sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Literatur von und über Petrarca in größtmöglicher Vollständigkeit und die Werke und Autographen von und zu Proust. Dr. Reiner Speck gab uns eine liebevolle, geistreiche Einführung in und Führung durch die Bibliothek und ermöglichte uns damit einen Einblick in die poetischen Welten Petrarcas und Prousts.

Zurück ins Mittelalter und in die Zeit des frühen Buchdrucks hieß es für die Seminarteilnehmer am Samstag, wo bei einer Führung durch die Diözesan- und Dombibliothek eine unglaubliche Fülle von Schätzen der Buchkunst und Buchmalerei zu bewundern waren. Einmal mehr konnte hier das Seminar seinem Ruf gerecht werden, den Antiquaren Bücher, Manuskripte und Kunstwerke zu zeigen, die ansonsten den Augen der Öffentlichkeit verwehrt bleiben. Unbestrittene Höhepunkte des Besuchs in der berühmten und geschichtsträchtigen Bibliothek waren ein aus dem 6. Jahrhundert stammender prachtvoller Kodex mit irischer Buchmalerei im Stil des berühmten Book of Kells sowie ein Perikopenbuch mit Marginalien aus der Hand des Thomas von Aquin.

Thomas Klinke, Restaurator am Walraff-Richartz-Museum, referierte über „Die Sprache des Papiers aus der Sicht des Gutachters“; er vermittelte grundlegendes Wissen über Wasserzeichen, Papierqualitäten, Schädlingsbefall und Restaurierungsmöglichkeiten und sensibilisierte die sehr interessierten und begeisterten Zuhörer dafür, dass ein Buch aus mehr besteht als aus Text plus Einband. Das Papier ist beim antiquarischen Buch nicht nur der Informationsträger, der Beschreibstoff, sondern selbst die Botschaft.

Der Typograph und Drucker Professor Walter Wilkes bot einen trefflichen Blick hinter die Kulissen der Kunst des Büchermachens. Sein Vortrag über „Typographische und drucktechnische Grundlagen“ zeigt, wieviel künstlerische Kreativität dem Endprodukt „Pressendruck“ vorausgeht und diesem seine Unverwechselbarkeit verleiht. Das muss dem Antiquar bei Beschreibung und Verkauf von Künstlerbüchern immer wieder bewusst werden, um diese einzigartigen Buch-Objekte in ihrer wahren Qualität würdigen zu können.

So straft das Seminar auch im 42. Jahr seine Kritiker Lügen. Nach wie vor vermittelt es wertvolles Wissen für den Alltag des Antiquars und führt darüber hinaus an die realen Schauplätze der Bibliophilie: in die Museen und Sammlungen, in die Bibliotheken, Archive, Auktionshäuser und Antiquariate. Das ist durch E-Learning nicht zu erreichen – und in einem Beruf für „Quereinsteiger“ wie den des Antiquars unerlässlich.

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