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Dr. Lotte Roth-Wölfle

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Witness of a Century in the Rare Book Trade


It is with great sadness that the German Antiquarian Booksellers’ Association reports the death of its long-deserved member and Member of Honour Dr. Lotte Roth-Wölfle. She died on April 29, 2011, shortly before her 100th birthday, and only one day after the re-opening of her beautiful antiquarian bookshop which has been situated in Munich since 1945.

Dr. Lotte Roth-Woelfle was a remarkable woman, probably the oldest rare book dealer in Germany and in Europe. From time to time she still visited her shop in Munich’s Amalienstraße which has been a famous address for rare and fine books for more than 60 years. The shop is now run by Franziska Bierl, while Lotte Roth-Wölfle’s daughter Dr. Christine Grahamer continues the tradition of the family company Robert Wölfle KG in the third generation, also still in the same premises. Born into a family of booksellers and publishers since 1775, Lotte Roth-Wölfle went to Munich in 1928 and joined her father’s firm Robert Wölfle Rare Books as an apprentice. From 1938 to 1942 she worked for August Hase in Frankfurt and, at the same time, completed her university studies in history and economics with a dissertation about the history of newspaper printing. After her father’s death in 1943 Dr. Lotte Roth-Wölfle, who had married the physician Dr. Anton Roth, took over the company together with her sister Gertrud Wölfle. As early as May 1945 the two sisters received a license from the American Military Government to continue their business after the War. This was the beginning of a huge career.

While Gertrud Wölfle stayed in the shop to fulfil the daily duties until her death in the year 2000, Lotte Roth-Wölfle led the company to international reknown. She was the first female member of the German Antiquarian Booksellers’ Association (VDA), founded in 1949, and one of its leading and most influential personalities. After the VDA had been admitted to the League in 1951, she organized the ILAB Congress in Munich in 1957 - the first of three Congresses in the history of ILAB which were held in Germany. (35 years later her daughter Dr. Christine Grahamer invited the ILAB affiliates to the 31st Congress in Cologne.) In 1971 Lotte Roth-Wölfle established the “Fortbildungsseminar für Antiquare”. This workshop for antiquarian book dealers takes place in Munich once a year. Up to the present it is famous for its atmosphere and the highly esteemed scholars and specialists who, as Lotte Roth-Wölfle once said, do not “teach” in the traditional sense, but “talk” about their subjects - a splendid and most effective way of learning. Every beginner in the German trade attends the Seminar once in his life, and many of them return to Munich year by year. The “Fortbildungsseminar” has become an institution, held in 2010 for the 40th time, and Dr. Lotte Roth-Wölfle was the soul of it, admired by the young colleagues and always keen to help young dealers to find their way into the business.

Dr. Lotte Roth-Woelfle was a passionate dealer. Many important incunabula, early printed books, manuscripts, prints and rare works on the history of science have gone through her hands, and she was a close friend to many colleagues throughout the world. Her knowledge, her dedication to the antiquarian book trade and her generosity will be remembered. She will be missed.

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Zeitzeugin eines Jahrhunderts


By Dr. Christine Grahamer (Robert Wölfle KG)


In der Nacht vom 28. auf den 29. April 2011 verstarb die bekannte Münchner Antiquarin Dr. Lotte Roth-Wölfle in ihrem 100. Lebensjahr. Am Tag vorher war das Ladengeschäft des Buch- und Kunstantiquariats Robert Wölfle in der Amalienstraße nach umfangreichen Renovierungsarbeiten von Franziska Bierl neu eröffnet und vorgestellt worden. Dr. Lotte Roth-Wölfle hatte sich darauf gefreut, die neuen Räumlichkeiten, darunter auch die der weiter dort bestehenden Robert Wölfle KG, zu besichtigen. Sie konnte nicht mehr kommen, aber sie wusste, das Haus war bestellt.

Dr. Lotte Roth-Wölfle hat in vielerlei Hinsicht Antiquariatsgeschichte geschrieben. Sie war langjähriges Ehrenmitglied des Verbandes Deutscher Antiquare e.V. und wohl die an Lebensjahren älteste Antiquarin in Deutschland, wenn nicht in Europa.

Sie stammte aus einer alten Buchhändler- und Verlegerfamilie, deren Anfänge bis in das Jahr 1775 zurückgehen und die – eng verknüpft mit der bayerischen Landesuniversität – von Ingolstadt über Landshut und Freising nach München kam. Geboren in Freising, kam sie 1928 mit der Familie nach München, absolvierte eine Lehre im väterlichen Antiquariat Robert Wölfle und begann nach einer Begabtenprüfung das Studium der Zeitungswissenschaft, Volkswirtschaft und Geschichte, das sie 1942 mit einer Dissertation über die Geschichte der Zeitungstypographie mit „summa cum laude“ abschloss. In den Jahren 1938-1942 arbeitete sie im Antiquariat August Hase in Frankfurt und bekam einen tiefen und prägenden Einblick in das großbürgerliche, jüdisch geprägte Kulturleben, dem sie bleibende Verbindungen und Freundschaften verdankte.

Im Januar 1943 starb ihr Vater Robert Wölfle; einen Monat später heiratete sie Dr. Anton Roth, der als Stabsarzt kurzen Urlaub von der Ostfront hatte. Trotz großer Kriegsverluste hielt sie zusammen mit ihrer älteren Schwester Gertrud Wölfle den Geschäftsbetrieb bis zum Zusammenbruch im Mai 1945 aufrecht. Noch im gleichen Monat erhielten die Schwestern von der amerikanischen Militärregierung als eine der ersten bayerischen Buchhandlungen die Bestätigung zur weiteren Ausübung ihres Gewerbes. Nach dem Krieg war es vor allem Dr. Lotte Roth-Wölfle, die durch ihre vielfältigen Auslandskontakte die Firma zu internationalem Ansehen führte, während ihre ältere Schwester Gertrud unbeirrbar bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 2000 im Geschäft die Stellung hielt. Die beiden Schwestern galten als Münchner Institution.

Dr. Lotte Roth-Wölfle war über lange Jahre eine führende Persönlichkeit im deutschen Antiquariat und Kunsthandel. Sie hatte zahlreiche Ehrenämter in den Berufsverbänden inne und war als streitbare und redegewandte Kämpferin bekannt. Stets setzte sie sich mutig für ihre Prinzipien ein und ließ sich durch nichts und niemand einschüchtern. Für den Verband Deutscher Antiquare e.V. redigierte sie viele Jahre lang den „Gemeinschaftskatalog Deutscher Antiquare“ und war bis 2011 maßgeblich am 1971 gegründeten „Fortbildungsseminar für Antiquare“ beteiligt, von den jungen Kollegen bewundert und verehrt. Von 1957 bis 1992 war sie für die „Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse“ im Haus der Kunst, später Kunst-Messe München, im Vorstand und in Ausschüssen tätig. Diese von Konsul Otto Bernheimer gegründete Messe lag ihr immer besonders am Herzen.

Ein weiteres Lieblingskind war „ihre“ Mappe, die 1926 von Hofrat Anton Maximilian Pachinger gegründete „Freie gesellige Vereinigung Die Mappe“, der sie bis zuletzt als Präsidentin vorstand. Sie gestaltete Jahresprogramme mit Vorträgen und Vorzeigungen von Originalen und verstand es immer wieder, wichtige Sammler als Referenten für die Abende im Münchner Künstlerhaus am Lenbachplatz zu gewinnen. Zur Geschichte der Mappe gab sie zwei Publikationen heraus, die dem Thema „Sammeln und Bewahren“ gewidmet sind.

Zu ihrem 70. Geburtstag publizierte ihre Tochter Dr. Christine Grahamer den Band „Bücher – Blätter – Bibliotheken. Schriften einer Antiquarin“, der ihre gesammelten Aufsätze enthält und ein Spiegelbild ihrer vielseitigen Interessen ist. Eine Monographie mit Werkverzeichnis ihres Onkels, des Illustrators Alphons Woelfle, veröffentlichte sie 1999. Zu ihrem 90. Geburtstag im Jahr 2002 erschien im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel „Aus dem Antiquariat“ die dreiteilige Folge „BücherLeben. Erinnerungen einer Antiquarin“. Sie schreibt in der Einleitung: „Als Zeitzeugin will ich versuchen, die Ereignisse und den Geist der Zeit durch die Brille einer Antiquarin, die ihre Bücher liebt und über sie forscht, zu sehen.“

Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, das sie mit Stolz trug, erhielt sie für Ihre Leistung, im Jahr 1945 nach dem Zusammenbruch die Bevölkerung von Neuburg/Donau durch eine Anti-Nazi-Ausstellung und Vorträge zu motivieren, NS-Literatur und Embleme nicht zu vernichten, sondern abzuliefern. Diese Sammlung bildete später den Grundstock für die Bibliothek des Instituts für Zeitgeschichte in München.

Dr. Lotte Roth-Wölfle war eine leidenschaftliche Antiquarin. Viele große und bedeutende Bücher und Werke der Graphik sind durch ihre Hände gegangen, aber auch viele Kleinschriften und Objekte für den jungen Sammler. Ihr Arbeitseifer, aber auch ihr Interesse für alle Themen des Antiquariats, blieb bis ins hohe Alter ungebrochen. Ebenso ihre Neugier, die wie ihr Formbewusstsein als kreative Tugend zu verstehen ist. Noch diesen Winter hat sie eifrig Kataloge studiert und sich gerne über Neuigkeiten aus dem Kollegenkreis unterhalten. Ihr Wissen, Ihr Engagement und ihre Großzügigkeit machte sie bei Kollegen und Kunden im In- und Ausland zu einer geschätzten Persönlichkeit. Mit ihr geht eine Ära zu Ende.
The obituary by her daughter Dr. Christine Grahamer was published on the website of the German Antiquarian Booksellers’ Association.

>>> Robert Wölfle KG

>>> International League Conference - Munich 1957

>>> Verband Deutscher Antiquare e.V.