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Max Ziegert

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By Max Ziegert


Ludolph Moritz St. Goar, „tall and handsome“, never left his antiquarian bookshop without his top-hat. Julius Friedländer from Berlin used to wear a Turkish fez. Jacques Rosenthal, fiery in his youth and with his curly black hairs a real heart-throb, was the perfect complement to his older brother Ludwig Rosenthal, head and heart of the Rosenthal company in Munich. Karl W. Hiersemann, publisher and rare book dealer in Leipzig, resembled a Catholic priest so much that children sometimes kissed his hand, believing he was the parish priest. Even in winter J. A. Stargardt personally climbed up all the stairs to the attic of his house where the valuable books were kept. The house had once belonged to Karl August Varnhagen van Ense. One day Stargardt was found there grappling with a cat who was nursing her kittens on a pile of incunabula.

Born in 1852 Max Ziegert had become an apprentice at J. A. Stargardt’s Autographenhandlung and then worked for Ludwig Rosenthal in Munich, before he finally opened his own bookshop in Frankfurt, Hochstraße 3, not far away from Joseph Baer & Co. He knew his colleagues, and he portrayed them all. Ziegert’s “silhouettes” show the most fascinating characters of the German speaking 19th century rare book trade: from the Rosenthal and Baer families to Emil Hirsch, Hans Boerner, Gustav Nebehay, Martin Breslauer, Paul Graupe and Dominik Artaria.

An excerpt from his "silhouettes":

Die nachfolgenden Zeilen wollen versuchen, die Profile von Kollegen einzufangen, mit denen ich im Laufe von über vierzig Jahren geschäftlich und persönlich verkehrt habe, mit manchen freundschaftlich. Ich möchte eingangs bemerken, daß ich die verschiedenen Persönlichkeiten so schildere, wie ich sie gesehen habe, und nur den Eindruck geben will, den sie auf mich gemacht haben, weil ich hoffe, daß auf diese Weise am ehesten das Individuelle der Gestalten herauskommen wird, das ich festzuhalten wünschte für die Berufsgenossen, die nach uns kommen …

J. A. Stargardt


Als junger Mensch, wenig über zwanzig Jahre alt, trat ich nach dem 70er Kriege als Gehilfe bei J.A. Stargardt in Berlin ein; ich kam aus dem Sortiment und hatte keinen Schimmer vom Antiquariat, wohl aber eine unklare Neigung zu diesem Berufszweige. Hier hatte ich es gut getroffen insofern, als ich auf eine originelle Persönlichkeit stieß und auf einen gewiegten, kenntnisreichen Antiquar; im übrigen mußte ich selbst zusehen und aufpassen, um etwas zu lernen, was ja überhaupt das beste ist. Als ersten Gehilfen fand ich Eduard Rosenstein vor, damals ein etwas nervöser, brünetter, jugendlicher Mann, der den Chef verehrte und ihn doch, halb unbewußt, karikierte. Ich trat bald in ein freundschaftliches Verhältnis zu dem äußerst rechtlichen Rabbinerssohn. Er besitzt jetzt ein speziell jüdisches Antiquariat in Berlin. Stargardt war schon ein Mann stark in den Fünfzigern, als ich zu ihm kam; er hatte früher auch Sortiment mit einem Gesellschafter betrieben, mit dem er bittere Erfahrungen gemacht haben soll (dieser Gesellschafter war Reuter …), und hatte sich nun auf das Antiquariat zurückgezogen, und hier wieder auf das Spezialgebiet der Heraldik und Genealogie als Stammstock, woran sich deutsche Literatur und Autographen-Handel anschlossen. Auf diesen Gebieten galt Stargardt als vorzüglicher Fachmann; er hatte ein sehr gutes Gedächtnis, verwechselte allerdings häufig die Begriffe, indem er unbewußt etwas ganz anderes sagte als er meinte – eine Eigentümlichkeit, die ich bei vielen Antiquaren gefunden habe. Das Geschäft befand sich damals in der Jägerstraße, im ehemaligen Hause Varnhagen von Enses, einem alten Berliner Patrizierhause mit Toreinfahrt und geräumigen Hofgebäuden. Links, hochparterre, war das Geschäft, bestehend aus einer zweifenstrigen Stube und einem nach hinten gelegenen Packlokal. Die übrigen Räume gehörten zur Privatwohnung, wo die etwas streng-schöne Frau Mathilde waltete. Morgens überschritt Stargardt die häusliche Schwelle meist im Schlafrock, um in seiner von Bücherregalen abgegrenzten Ecke die Briefschaften durchzusehen. Erst nach dem zweiten Frühstück warf er sich in einen schwarzen Gehrock. Er war ein kleines, untersetztes Männchen mit auffallend kleinen Händen und Füßen, ergrautem Vollbart und entsprechendem Haarkranz, von gelblicher Gesichtsfarbe und mit lebendig schwarzen Augen. Der Ausdruck des ganzen Gesichts frappierend ähnlich dem bekannten Kopfe von Siegmund Feyerabend. Stargardt war anregend und amüsant in der Unterhaltung mit den Kunden. Unter diesen sind mir in Erinnerung geblieben der dichtende Prinz Georg von Preußen, Geheimrat von Loeper, der Goethe-Forscher, der sehr häufig im Geschäft verkehrte, der russische Baron von Korff, der Vorsteher der Kaiserl. Bibliothek, der immer nach Gebrauch einen Taler ins schmutzige Wasser des Waschbeckens warf, Professor Mahn, der Provenzale, viele Heraldiker, Genealogen und viel preußischer Adel. Meusebach, der Germanist Heyse, Alexander von Humboldt u. a. waren vor meiner Zeit Besucher bei Stargardt gewesen. Von den beiden ersteren hatte Stargardt Teile ihrer Bibliothek übernommen und Kataloge darüber herausgegeben. In die Zeit meines Dortseins fielen die Ankäufe der großen von Dönhoffschen Schloß-Bibliothek, die aus den Mansarden des Dönhoffschen Palais in der Wilhelmstraße übergeführt wurde, und der in seltener Weise geschlossenen Sammlung der gesamten Schwenkfeld-Literatur des Oberlehrers Schneider, ebenfalls aus Berlin. Das Lager von Stargardt befand sich in den Mansarden und Bodenkammern des Varnhagenschen Hauses; ich habe sogar in den Winter-Monaten im Überzieher und Hut die ganze Dönhoffsche Bibliothek großenteils da oben in ungeheizten Räumen aufgenommen. Stargardt pflegte stets eine Pelzmütze aufzusetzen, wenn er in diese Regionen hinaufstieg, sogar im Sommer! Ich erinnere mich, daß ich ihn einmal in vergeblichem Kampfe mit einer Katzenmutter fand, die sich auf einem Stoß Folianten häuslich niedergelassen hatte und ihre ganz Kleinen verteidigte …

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Joseph Baer & Co.


Aus Nord-Deutschland kam ich an die Grenze von Süd-Deutschland, nach Frankfurt a. M., wie es Mitte der siebziger Jahre aussah, nachdem es wenige Jahre vorher aufgehört hatte, freie Reichsstadt zu sein. „Der Preuß’“ war noch nicht beliebt, „die eklig norddeutsche Sprach’“ ein ungewohnter und nicht gern vernommener Laut. Alles war nicht mehr wie früher, selbst nicht das Wetter, von dem ein alter Frankfurter Kollege sagte, früher hätte man Ostern in weißen Hosen auf dem „Forsthause“ sitzen können, aber „wie wir preußisch geworden“, war es damit vorbei. Mein Chef Ludolph St. Goar teilte ungefähr diesen Standpunkt. Von Hause aus Gemütsmensch hatte er einen solchen Haß gegen Preußen, daß er für seine beiden Söhne das englische Bürgerrecht erwarb … Sein damals schwunghaftes Geschäft war an der Ecke der Zeil und Schäfergasse gelegen, hatte daher viel Lauf-Publikum, und der Geschäftssinn St. Goars ging so weit, daß er sogar Literatur für Droschkenkutscher verkaufte, die massenhaft an der Ecke hielten … Nach wie vor (blüht) die Dynastie Joseph Baer & Co. Sie hat längst die Feier ihres hunderjährigen Bestehens hinter sich, im Jubiläums-Katalog findet sich eine Geschichte des Hauses verzeichnet. Die große Folge der trefflich gearbeiteten Kataloge über alle Fächer bildet ein gut Teil des Rüstzeugs des Antiquars seit vielen Jahren. Als ich den jetzigen Senior-Chef des Hauses Simon Leopold Baer kennen lernte, befand sich das Geschäft noch auf dem [Frankfurter] Roßmarkt hinter dem Gutenberg-Denkmal, und jetzt nach vierzig Jahren, wo sich mein kleines Antiquariat seit längerer Zeit dem Baerschen Geschäft gegenüber in der Hochstraße befindet, erscheint mir der jetzt siebzig Jahre alte Senior-Chef so wenig verändert, daß ich ihn auch in dieser Hinsicht bewundere; derselbe rasche Gang bei etwas gebückter Haltung, dasselbe lebhaft flackernde Auge, dieselbe sich etwas überhastende Stimme, dieselbe nie rastende Arbeitsfreudigkeit. Baer Vater hat die Gewohntheit, täglich vom Eschenheimer Turm um die Anlagen seine Morgenpromenade zu machen, häufig begleitet von einem der Söhne. War er allein, so lud er mich … oft ein, ihn zu begleiten, vorausgesetzt, daß er nicht gerade einen Zorn hatte „auf den da drübbe“ …

Ludwig Rosenthal


Damals in den siebziger und achtziger Jahren waren die drei Brüder Rosenthal, Ludwig, Nathan, Jakob, noch gemeinsam Besitzer des Geschäfts, das sich in der Hildegardstraße befand, im Hinterhause, das als Geschäftshaus erbaut war. Im Vorderhause wohnte die Familie. Heute befindet sich das Ludwig Rosenthalsche Geschäft noch in diesen Räumen, nur daß das Vorderhaus auch zu Geschäftszwecken benutzt wird. Der Gründer des Hauses, Ludwig Rosenthal, nimmt im Münchner Antiquariat eine eigene Stellung ein. Denn nicht nur seine eigenen Brüder, sondern fast alle bedeutenden Münchener Antiquare sind Schüler von ihm. Damals ein Mann in den besten Jahren, zeichnete er sich durch sein stilles, sachliches Wesen aus; ein klarer, kluger Blick aus großen dunklen Augen hinter Brillengläsern richtete sich auf den mit ihm Unterhandelnden, und in den späteren Jahren, als er an die Sechzig, Siebzig war, trat das fast stille Versonnene seiner Natur noch stärker hervor; mit nie erschöpfender Geduld konnte er antiquarische Lager und Bibliotheken durchgehen, um Passendes zur Vermehrung seiner Vorräte in Manuskripten, Inkunabeln und Seltenheiten zu finden. Aus Italien und Spanien, England, Frankreich hat er viel erworben und zahlreiche Klosterbibliotheken wurden durch ihn versorgt.

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Jacques Rosenthal


Ein anderes Naturell war der jüngere Bruder Jakob oder wie er sich nennt Jacques. In seiner Jugend feurig und schwarzlockig, ein wenig der schöne Mann, unermüdlich In- und Ausland bereisend, bildete er eine wünschenswerte Ergänzung des älteren Bruders … Von München darf man nicht Abschied nehmen, ohne des Auktionshauses Hugo Helbing zu gedenken. In dem Auktionssaal in der Liebigstraße finden jahraus, jahrein in ununterbrochener Reihe große und kleine Versteigerungen statt, unter Leitung des Gründers des Instituts, Kommerzienrats Helbing. Der Mann ist ein Faktor im Kunstleben Münchens und weiß das auch. Wenn ich geschäftlich mit ihm zu tun hatte, kam ich mir immer wehrlos vor. Er war mir so über, daß ich einfach ja sagen mußte, wenn er etwas haben wollte. Er vergewaltigte einen mit der größten Liebenswürdigkeit und Urbanität …

Karl. W. Hiersemann


Ich habe diese persönliche Macht der Suggestion nur noch in gleichem Maße gefunden bei Karl W. Hiersemann … Wir besuchten – der kürzlich verstorbene Kommerzienrat Nauhardt gehörte auch dazu – gemeinsam die Buchhändler-Lehranstalt in der alten Börse, täglich morgens 7–9 Uhr. Obgleich der damalige Direktor, Dr. Bräutigam, ein gütiger Lehrer und kenntnisreicher Pädagoge war, glaube ich nicht, daß Hiersemann und Nauhardt dieser Anstalt ihre Befähigungen und Erfolge verdanken. Von eisernem Fleiße war Hiersemann damals schon. Er wohnte mit einem Holzschneider-Lehrling gemeinsam auf einer Stube, und seine Kommode strotzte von Antiquariats-Katalogen … Dann entsinne ich mich noch eines Besuches Mitte der siebziger Jahre bei Hiersemann in Mannheim. Er war damals Antiquar bei Bensheimer, wo ich mit einem Freund in einer Bodenkammer schlief, die den Gehilfen als Nachtlager diente. Wegen häufigen Mangels des Schlüssels waren einige Latten des Verschlags eingedrückt, durch die man kroch; eine Bettstelle krachte in der betreffenden Nacht zusammen … Dann sah ich Hiersemann erst wieder, als er sich soeben in Leipzig etabliert hatte, ein kleiner Lager-Raum mit Regalen und sein Bureau – jetzt nennt er ein großes vielstöckiges Geschäftshaus in der Königstraße sein eigen, und sein Betrieb ist der umfangreichste im deutschen Antiquariat. Ein Erfolg ohnegleichen, den Hiersemann sich ganz allein zu verdanken hat, wie es nur einer genialen Persönlichkeit sich durchzusetzen vergönnt ist. Arbeitskraft und Organisationstalent vereinigen sich hier zur Bewältigung der gestellten Aufgabe. Tritt man in sein Antiquariat und wirft einen Blick aufs Pult, es ist aufgearbeitet, Platz für neue Aufgaben. Zeit hat der breitschultrige Mann mit den starken Zügen und der großen Nase freilich nicht. Man fühlt, spricht man mit ihm, die Maschine bremst nur, um mit Vollkraft wieder einzusetzen …

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Hans Boerner, Gustav Nebehay


Ein mächtiger Sprung in die modernste Zeit, der Aufstieg des Boernerschen Geschäfts von etwa 1900 an! Das Boernersche Kunstgeschäft war vom Großvater des jetzigen Inhabers gegründet und von dessen Vater zur Blüte gebracht worden. Dieser tüchtige Kunst-Antiquar starb frühzeitig, die Führung seinem langjährigen Mitarbeiter Arnold überlassend. Bei diesem dicken Arnold, einem tüchtigen Fachmanne, einer behäbigen Natur, die gern ein Glas guten Weins trank, habe ich noch eine Auktion mitgemacht … ihm folgte der jüngere Bruder Arnold, eine ängstliche zaghafte Natur, dem Leben nicht gewachsen. Ich entsinne mich noch der ersten von ihm geleiteten und für ihn letzten Versteigerung im früheren Boernerschen Lokal in der Nürnberger Straße. Den ersten Tag leitete Arnold die Versteigerung, den zweiten Tag ergriff der sehr jugendliche Hans Boerner die Zügel, und mit diesem Tage begann der neue Aufstieg des alten Geschäfts … Mit scharfem Blick erkannte Boerner nach kurzer Begegnung mit Gustav Nebehay die Kraft, die er brauchte, und schon nach wenigen Jahren war Nebehay Sozius des Buchantiqua-riats C.G. Boerner. Nicht häufig gesellen sich glückliche Umstände, hinreichende Mittel, kluges, schnelles Handeln und sichere Sachkenntnis so zusammen, wie es hier geschah, um den neu angegliederten Zweig des Hauses zu ungeahnter Blüte zu bringen. Boerner und Nebehay ergänzen sich sowohl durch ihre Naturen wie durch ihre Begabung. Hans Boerner, eine schlanke, fast zarte Erscheinung, schmale, feingeschnittene Gesichtszüge mit scharfem Augenpaar, der Typ des hochgebildeten Leipzigers, mit kühler Geste abweisend, was er vermieden wissen will. In diesem anscheinend zarten Körper ist eine Leistungsfähigkeit eingeschlossen, die es spielend fertigbringt, acht Tage hintereinander, selbst versteigernd, eine Auktion zu leiten, ohne daß selbst die Stimme merklich sich verändert, eine Persönlichkeit, die noch Kraft hat, Gäste zu empfangen und sich gesellschaftlich zu betätigen, nachdem die anstrengenden Vor-Auktions-Arbeiten und Reisen vorausgegangen sind. – Gustav Nebehay, in vielen Dingen das Widerspiel zum Sozius, aus Wien kommend, wenig gedrückt vom Schulsack, sein Glück in Deutschland suchend, kommt er nach Leipzig mit dem gewöhnlichen Gehilfengehalt, findet in Boerner den Mann, der ihm Mittel und freie Hand gewährt, seine Ideen zu verwirklichen, und schafft eine Reihe von glänzenden Buch- und Autographen-Auktionen, die mit einem Schlage das Boernersche Buch-Auktions-Institut als führendes Geschäft an die Spitze setzten. Die Auktionen waren bestimmend für die Preise der Erstausgaben der deutschen Klassiker und Romantiker, sie wurden zum Teil ganz neu durch diese Auktionen geschaffen … Eine seltene Karriere, die der junge Wiener machte und noch dazu verdiente, dem man mit seinem einnehmenden Wiener Naturell kaum widerstehen kann.

Julius Friedländer, Leo Liepmannsohn


Mit dem Auftreten dieser jüngsten, so erfolgreichen Schule ist eine nervös-hastige Tätigkeit in das Antiquariatsgeschäft eingeführt worden, die es früher nicht kannte, und die jüngeren Kräfte, die gleichzeitig, zum Teil angeregt durch Nebehays Erfolg, sich in ähnlichen Bahnen bewegen, haben die gleiche rasche Abwicklung des Geschäftsbetriebes, die wir nun namentlich in Berlin finden … Dr. Friedländer [war] ein kleiner lebhafter Herr, eine Stargardt sehr verwandte Erscheinung mit weißem kurzen Vollbart, goldener Brille und türkischem Fez. Im Vorderhause [in der Karl-Straße] war die Privatwohnung, daran schloß sich ein länglicher Hof, in dessen Seitengebäuden das Geschäft, Kontor und Lagerräume untergebracht waren auf der einen Seite, während auf der gegenüberliegenden ein Privat-Laboratorium des Doktors lag, wo er seinen Untersuchungen und Liebhabereien mit einem Faktotum oblag. Das Geschäft führten eigentlich die Herren Buschbeck und Budy, die jetzigen Inhaber. Am Bußtage pflegte Dr. Friedländer seine Angestellten zum Essen einzuladen. Ich entsinne mich, daß er an einem Mittag launige Vergleichungen der Bärte der Anwesenden aufstellte. Die Stellung des großen Geschäfts ist wohl trotz erstandener Konkurrenz noch die unbestritten erste auf seinem Gebiet … Leo Liepmannsohn, der Gründer der gleichlautenden Firma, hatte sich 1866 in Paris etabliert, war dann durch den Krieg 1870/71 gezwungen worden, sein gutgehendes Geschäft zu verkaufen, und gründete 1874 ein Sortiment für ausländische Literatur mit Antiquariat Ecke Behren- und Markgrafenstraße. Später verkaufte er ersteres und schuf das bekannte Antiquariat für Musik und Autographen, auf welchen Gebieten, auch für die Neuesten, der alte Liepmannssohn eine Autorität war. Auch er war von kleiner beleibter Gestalt, etwas watschelnd und in seinen letzten Jahren mit Asthma kämpfend, und trotzdem unermüdlich rauchend. Kluge, bewegliche Äuglein blinzelten aus dem rosig gefärbten Gesicht mit kurzgeschnittenem Vollbart, die mächtige Platte von kurzgeschorenen weißen Härchen umrahmt. Er liebte Geselligkeit und war ein amüsanter Causeur, gern von vergangenen Zeiten erzählend; im intimen Kreise erklang auch bisweilen sein meisterliches Klavierspiel. Ich habe technisch vollendet Chopin von ihm spielen hören, ohne daß er die geliebte Zigarre dabei ausgehen ließ …

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Martin Breslauer


Ganz anders Martin Breslauer, obgleich auch er das Geschäft con amore zu nehmen liebt, was bei beiden Herren wohl auch damit zusammenhängt, daß sie über reichliche Mittel verfügen mögen. Breslauer, in den ersten Jahren mit Edmund Meyer assoziiert, hat ein ausgesprochen bibliophiles Geschäft; seine Freundschaft mit v. Zobeltitz, seine Stellung in der Gesellschaft der Berliner Bibliophilen, seine eigene Neigung drängten ihn, sein Geschäft nach dieser Richtung auszubauen; so hat er eine der umfangreichsten Hilfsmittel-Bibliotheken, bestehend aus Katalogen, Nachschlagewerken, Monographien, Bibliographien, zusammengebracht, die sein Steckenpferd bildet, und daß er diese nicht nur von außen betrachtet, sonder sie kennt und verwertet, ersieht man aus seinen Katalogen und merkt es aus seiner Unterhaltung. Von zierlicher Gestalt, mit Hakennase, schwarzem, leicht gelichtetem Haar, kühnem Augenpaar und schwarzem Schnurrbärtchen, gleicht er frappant einem Porträt Heinrichs IV. von Frankreich, und da er nach Art seines Vorbildes, des ganz hervorragenden Commendatore Olschki in Florenz, etwas schauspielert, ist er für mich der amüsanteste der Berliner Kollegen. Vielleicht wird er im Alter auch einmal der vielwissendste der dortigen Antiquare werden … Wenn die Kontortür aufgeht, eine mächtige Falstaff-Figur sich mühsam durch die Tür drängt und eine hell überschlagene Stimme fragt, ob man zu sprechen ist, so kann das nur der „dicke“ (Friedrich) Meyer … sein, auf der regelmäßig wiederkehrenden Besuchsreise zu seinem Vater, dem Oberkirchenrat in Friedberg i.H. Stets hat er vier Fragen: nach einem ausgefallenen Almanach, nach einer noch selteneren Heine-Pièce, wo es den besten Wein gibt und wohin er frühstücken gehen soll. Dabei geht es ihm stets mordsschlecht, und die Augen blinzeln seelenvergnügt über den runden Wangen …

Wo man hintappt, trifft man auf Gestalten, die wohl Erwähnung verdienten. Da steigen die Autographenhändler Spitta in Berlin und Otto August Schulz in Leipzig vor meinen Augen auf. Beide kenntnisreiche Männer und Erscheinungen, würdig, von einer Künstlerhand wie der Spitzwegs verewigt zu werden. Spittas Autographenlager ging aus demjenigen des alten Künzel hervor. Ich habe ihn einmal besucht in seiner Arbeitsstube, die reich mit sauberen unpolierten Tannenholz-Schubfächern angefüllt war, in denen er seine Schätze barg. Die über Mittelgröße hinausragende Gestalt war in einen schwarzen Gehrock gekleidet und hatte etwas Protestantisch-Pastorenhaftes. Weißer Vollbart und Haupthaar vermehrten das Ehrwürdige der Erscheinung. Er besuchte zu dieser Zeit noch eifrig die Berliner Autographen-Auktionen, kaufte aber fast nie etwas, notierte nur gewissenhaft die Preise und erzählte, wenn man mit ihm speiste, zu welchen Ansätzen er diese Sachen vor soundsoviel Jahren verkauft hatte, mit einem Augenaufschlag und einer Handbewegung, die unnachahmlich waren …

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Heinrich Ranschburg


Doch ich muß, bevor ich Abschied von den Buch-Antiquaren nehme, noch einiger Kollegen gedenken, die unbedingt in den Kreis der nennenswerten gehören. Da ist unser treuverbündetes Österreich-Ungarn, und hier gibts nur eine Kaiserstadt, es gibt nur ein Wien … Als in ihren Erfolgen weit über die gelb-schwarzen Grenzpfähle hinausreichend, ist die Firma Gilhofer & Ranschburg zu nennen. Der Schöpfer der Größe des Geschäfts war Heinrich Ranschburg, der kleine Rabbinerssohn aus Ungarn. Er hat es verstanden, durch Sachkenntnis (er war Lehrling des Hauses Baer & Co.), Benutzung der günstigen Verhältnisse und durch geschäftlichen Unternehmungsgeist großzügig ein Geschäft aufzubauen, daß man ihn ruhig als österreichischen „Quaritch“ bezeichnen kann. Eine Reihe hervorragender Versteigerungen sind mit seinem Namen verknüpft, und er bildete in Deutschland wie im Auslande einen Faktor auf den Auktionen, mit dem man rechnete. War er bei Laune, was von seinen Magenverhältnissen abhing, so fand man in ihm einen sehr anregenden Gesellschafter, sarkastisch, witzig; er konnte aber auch, wenn schlecht Wetter bei ihm war, leicht gereizt und ärgerlich werden. Wie oftmals habe ich ihn in lebhaftem Wortgefecht mit seinem Freunde Nebehay gesehen, wobei sich beide in unverfälschtem Wiener Dialekt die Wahrheit sagten, um dann brüderlich Arm in Arm nach Hause zu wandern …

Zur Vervollständigung der Galerie gehörte wohl noch mancher; der Schatten des seligen Nergert, eines rheinischen Antiquars, steigt vor mir auf. Er kaufte auf den Versteigerungen nur Darstellungen von Heiligen, eine Zeitlang auch alle Löwen und vermied es, freie Blätter zu betrachten, die ihm aber absichtlich gern in die Hände gespielt wurden und die er dann mit abwehrender Handbewegung von sich stieß, seine gefurchten, eingetrockneten Züge, die über dem wäschelosen, mit schwarzseidener Binde zugeschnürten Halse heraussahen, abwendend. – Welche Charakterköpfe gibt es unter den Liebhabern und Sammlern, unter den Museumsdirektoren und ihren Damen, die alle zum Bilde der Kunst-Auktionen gehören! Auch die deutschen im Auslande lebenden Kunstantiquare, wie Kempner in Rom, Godefroy Mayer, die famose Gestalt Bihns in Paris, der Deutsch-Amerikaner Ederheimer (New York) kann ich hier nicht weiter berühren, es liegt dies alles außerhalb des Zweckes dieser Zeilen. Wohl aber möchte ich noch hervorheben, wie abgesehen von den materiellen Werten, die oft weit in die Hunderttausende gehen, alle drei Zweige, das Buch-, Autographen- und Kunst-Antiquariat, Hüter und Vermittler der alten überkommenen köstlichen Schätze sind, und daß hierin der ethische Wert der Arbeit von uns Antiquaren ruht.

Ganz zuletzt habe ich noch eine Bitte an die „Schattengerissenen“ zu stellen, mir das Unterfangen, sie hier silhouettiert zu haben, nicht übelzunehmen; es ist immer eine heikle Sache, Lebende zu porträtieren, noch dazu, wenn man Freunde darunter hat, mit denen man Schach gespielt hat, deren Gast in ihren Familien man gewesen ist, die einem vielfache Freundlichkeiten erwiesen haben. Hier hilft nur das Bewußtsein darüber hinweg, die Kollegen werden es vielleicht richtig auffassen und sich schließlich an manchem Zug erfreuen. – Das will ich hoffen.

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Max Ziegert’s „Schattenrisse deutscher Antiquare. Persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1870–1915“ was originally published in Leipzig by Ramm & Seemann in 1916 and as a series of articles in“Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ no. 83 (1916). The German Antiquarian Booksellers’ Association has printed a new edition with annotations, illustrations and an introduction by Reinhard Wittmann:


Max Ziegert: Schattenrisse deutscher Antiquare - Persönliche Erinnerungen aus den Jahren 1870 bis 1915


Edited by Reinhardt Wittmann, Eberhard Köstler and Barbara Werner van Benthem. Verband Deutscher Antiquare 2009. 93 pp. Illustrated.

>>> www.antiquare.de